Am 01.12.2021 das Aus für die Lobauautobahn

Am 02.12.2021 forderte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig auf der eilig einberufenen Pressekonferenzanlässlich der Tags zuvor abgesagten Lobauautobahn durch Bundesministerin Gewessler die Nennung von Alternativen. Alternativen zu der nun wegfallenden Anbindung der Asperner Seestadt an die abgesagte Lobauautobahn S1. Ludwig sieht den weiteren Wohnbau für 60.000 Menschen gefährdet weil die Anbindung an ein höherrangiges Straßennetz nun nicht mehr gegeben ist.

Seltsam nur weil die Seestadt ursprünglich als „autofreie” Stadterweiterung angepriesen worden war und mit einer U-Bahnlinie (U2) und möglicher Schnellbahn Anbindung (Marchegger Ostbahn) nun kein alternatives Verkehrskonzept vorhanden wäre?

Um dieser kleingeistigen Auseinandersetzung die diese Absage von Bauprojekten inzwischen angenommen hat zu entkommen gilt es den Blick auf die übergeordneten Anforderungen unserer Zeit zu schärfen.

Österreich hat sich zu den Klimazielen von Paris bekannt und diese ratifiziert.

Bis 2040 will man Klimaneutralität erreichen. Die Begrenzung auf 1,5 Grad Klimaerwärmung gilt dazu als ausgemachtes Ziel!

Die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb regt an, von 10 KFZ sieben Stück aus dem Verkehr zu nehmen, weil der Straßenverkehr den größten CO² Emittenten darstellt und zukunftssichere Mobilität nur mit öffentlichen Verkehrsausbau zu bewerkstelligen ist.

Bei der Stadt Wien wird ganz bewusst eine massive Steigerung des MIV (Motorisierter Individual Verkehr) mit den Bauvorhaben „Stadtstraße”, Spange Aspern und Lobautunnelautobahn in Kauf genommen!!! Schon in der Studie der MA 18 aus dem Jahre 2003 – SUPerNOW
wird eine Erhöhung des MIV um 52% für 2021 auf Basis von 2003 prognostiziert (Seite 21).
Und in den Folgejahren wird mit den Bauvorhaben der MIV noch weiter drastisch erhöht werden, was eine Reduktion auf 1,5 Grad Klimaerwärmung unmöglich macht!

Fazit, nach dem Aus der Lobau-Autobahn sind folgende Parameter entscheidend:

1,5°C, KFZ-Reduktion und Öffiausbau!

Zur neoliberalen Prämisse freie Fahrt für freie Bürger bedarf es einer anderen Gewichtung, angesichts der sich anbahnenden Klimakatastrophe. Das Automobil als Inbegriff mobiler Individualität hat einer Mobilität zu weichen, die klimaneutral, sozial verträglich und an kürzeren Wegen orientiert sein muss. Wo regionale und überregionale Gütertransporte prioritär auf die Schiene verlagert werden müssen.

In einem Wiener U-Bahn-Zug finden rund 900 Fahrgäste Platz. Dafür wären 750 PKW nötig - das entspräche einer Autokolonne von 3 Kilometern Länge.

Der Schnellbahnausbau wäre die primäre Alternative zur abgesagten Lobau-Autobahn, die dem Wiener Bürgermeister Ludwig so abgeht.
Darüber hinaus gibt es aber noch jede Menge an Vorschlägen und Ideen zu alternativem Verkehr.

Straßenbahn Ausbau

Die Gemeinde Wien verkündet stolz den Bau einer neuen Straßenbahn.
Die neugeschaffene Straßenbahnlinie 27 soll ab September 2025 zwischen Strebersdorf und Aspern Nord fahren. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um eine Erweiterung von 6 Haltestellen der bestehenden Linie 26 zum Preis von 96,8 Millionen Euro.

 
 
Das Konzept der Grünen für den Straßenbahnausbau geht da schon etwas weiter und die von den Donaustadt Grünen angedachten Expressbus Linien sind geeignet die fehlenden Querverbindungen zwischen den radial verlaufenden Hauptstrecken abdecken zu helfen und könnten ganz rasch umgesetzt werden.
 
 
Radwege

Bei einem alternativen Verkehrskonzept muss dem Rad ein hoher Stellenwert beigemessen werden.
Vor allem ist es notwendig  zwischen KFZ und dem Rad Parität herzustellen um die Attraktivität des Radfahren zu erhöhen. Dazu braucht es passende Radwege.
Wo das nur schwer möglich ist sind Straßen zurück zubauen um gefahrlose Rad Benützung sicher stellen zu können. Damit auch der Einsatz von E-Scooter und E-Fahrrädern und Schwertransporte per Lastenräder attraktiv und gefahrlos möglich wird. Dieses Potential gilt es zu nützen!
Es gibt dazu unzählige  Ideen und Vorschläge, wie z.B. den Ostpark – von Dr. Norbert Mayr.
Die  integrierte Rad-Langstrecke Ost  - Trasse teilweise geführt entlang der umstrittenen „Stadtstraße" und die  Rad-Langstrecke Nord – entlang der Wagramer Straße.
Da die Rad-Langstrecke OST grossteils parallel zu den Bahn-Gleisen liegt und dort ein ausreichendes Platzangebot vorhanden ist, könnte sie schnell umgesetzt werden und mit relativ wenig Aufwand kreuzungsfrei und damit mit hohen Fahrgeschwindigkeiten die Seestadt anbinden.
 
 
Die Grünen haben ein ausgearbeitetes Netz an Radschnellwegen vorgelegt das eine Priorisierung der derzeit lückenhaft vorhandenen Radwege ermöglicht. Mit solchen Verbindungsmöglichkeiten sind maßgebliche Anteile des Verkehrsaufkommen vom Auto auf das Rad umzulenken möglich, mit sicheren Kreuzungen und baulicher Trennung zwischen Fußgänger und KFZ.
 
 

Gesetzliche Regelungen

Ab März 2022 besteht in Wien flächendeckende Parkraumbewirtschaftung.

Kurzparkzonen und Parkpickerl sollen einen Lenkungseffekt in Richtung weniger KFZ bewirken.
Dazu sind die Höhe der Kosten des Parkpickerls. 10 EUR pro Monat aber wenig wirksam. Finanzschwache Wiener:innen werden die Zähne zusammen beißen und finanziell besser Gestellte werden die Kosten nicht mal bemerken. Die Parkgebühr sollte im Wesentlichen auch dem Marktpreis der Bodenfläche entsprechen, die ein Abstellplatz eines Autos (6 m² und mehr) beansprucht, damit ersichtlich wird welche versteckte Kosten im ruhenden Verkehr verborgen sind. Durchschnittlich steht ein Auto 23 Stunden pro Tag!

Dann zur flächendeckenden Einführung des Parkpickerls. Macht es doch eine Unterschied ob ich im 1. oder im 22. Bezirk wohne. Das bedeutet dass bezirksweise Gültigkeit in den großen Flächenbezirken, innerhalb des Bezirkes keinerlei Verkehrsreduktion bewirken wird. Ganz im Gegenteil wird es doch interessant von Essling zur U1 in Kagran mit dem Auto um dann weiter in die Innenstadt mit der U-Bahn zu fahren.

Die Lösung: Zonen schaffen die sich an der Auslastung, Dichte einzelner Gebiete orientiert.

Der 1. Bezirk wäre dann eine Zone und im 22. Bezirk gäbe es dann z.B. 15 Zonen.

Dann die ca. über 200.000 Pendler im täglichen Berufsverkehr nach Wien!
Wenn Wien und NÖ keine Anstrengungen unternehmen das Pendler Aufkommen über kostenlose ParkAndRide Anlagen in Verbindung mit einer Jahreskarte der WienerLinien zu entschärfen, so drohen ab März 2022 gewaltige Probleme für die Ostregion.

Tempo 30 auf allen den Hauptstraßen untergeordneten Straßen von Wien.

Was in Paris möglich ist kann in Wien nicht stattfinden?
Paris folgt mit dem Ausbau der 30er-Zone dem Beispiel Spaniens. Das Land hatte im Mai Tempo 30 für alle spanischen Städte ausgerufen.

Hermann Knoflacher machte einen interessanten Vorschlag der ganz rasch umgesetzt werden könnte.
„Die nicht gerade autofeindlichen USA haben das mit den HOV-Lanes (High Occupancy Verhicle Lanes) seit den späten 1970er Jahren zur Dauerlösung eingeführt. Das sind reservierte Fahrspuren auf den Autobahnen, die nur von Privatautos, besetzt mit mindestens drei Personen, benutzt werden dürfen, was streng und mit Konsequenzen kontrolliert wird.”

Mit den technischen Überwachungsmöglichkeiten von heute wäre das eigentlich eine Pflichtaufgabe für die Asfinag!

 

Einbeziehung erweiterter Betrachtungen

  • Über eine Raumplanung in bundespolitischer Hoheit gelänge es die von Egoismen und regionalen Interessen bestimmte Politik auf Grund der in Ländern und Gemeinden angesiedelten Entscheidungsgewalt, nachhaltig zu verbessern und damit auch die Formen der Mobilität mit bestimmen zu können.

  • Verkehr zu vermeiden ist essentieller Bestandteil einer gelingenden Verkehrswende.

  • Gezieltes Reduzieren von Verkehr durch aufheben örtlicher Trennungen zwischen Produktion, Verbrauch, Lebensmittelpunkt und weiteren Bezugsräumen persönlichen Handelns etwa Arbeiten, Freizeit, Soziales, Konsum entheben uns vor immer weiteren Straßenbau. Die Straßenmeter pro Kopf in Österreich betragen 15 m gegenüber der Schweiz 8,1m und Deutschland mit 7,9 m!

  • Eine stärkere zeitliche Entflechtung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten, um die Verkehrsspitzen flacher halten zu können. Ein Arbeiten im Home-Office hat sich schon während der Dauer der Corona Pandemie bewährt und würde dazu beitragen den Berufsverkehr zu reduzieren. Dazu ist jedoch noch einiges zwischen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer abzuklären.

  • Für die KonsumentInnen und Meinungsmache wird von der Autoindustrie werbewirksam an Schrauben gedreht, welche uns zunehmende Umweltverträglichkeit der Automobile durch Fernsehen, Zeitungen und modernen Medien glauben machen sollen. Weniger Treibstoffverbrauch, weniger CO² Belastung in den Abgasen, mehr an elektrischen Autos sollen die mobile Zukunft mit dem Auto nicht gefährden. Viel Steuergeld wird dafür in falsche Hände gelenkt, damit das Auto, mit welchen Antrieb auch immer, einen weiteren Frühling erleben soll. Dass jedoch der Reifenabrieb bei allen automobilen Fahrzeugen schweren Schaden an Umwelt und Gesundheit anrichtet, wird wohlweislich ausgeblendet (nanoplastic).

  • Flexible Mobilität als zukunftsweisende Alternative zu individuellen Autobesitz. Die schon seit den 1990 Jahren existierenden Modelle wie Carsharing oder Sammeltaxi geben die Richtung vor in die wir zukünftig denken und handeln sollten. Somit erweitert sich auch das Gesichtsfeld um der globalen Gerechtigkeit Gewicht verleihen zu können.

Für den vorliegenden Text zeichnet Wolfgang Sigut
Lobau Forum

PS. Wie drastisch ist eigentlich das 1,5°C-Ziel zu sehen?